Steno1 strukturiert den Prozess der Vereinfachung der Schrift, so dass sichergestellt ist, dass die für das Verständnis des Inhaltes notwendigen Teile erhalten bleiben.
Mir ermöglicht es gleichzeitig entspanntes, schönes und schnelles2 Schreiben, das ich mein ganzes Leben lang verbessern kann.
Beispiel:
3
„Wir danken dem Käufer des Essens“
In der Schule hatte ich immer Probleme mit der Schönschreibung. Die Schrift war für mich ein Werkzeug, um Informationen festzuhalten. Ich habe daher nicht eingesehen, warum ich Zeit darauf verwenden sollte, meine Buchstaben besonders rund, glatt oder verschnörkelt zu machen. Schließlich waren selbst grausig verstümmelte Buchstaben noch lesbar.
Beim Versuch den Aufwand beim Schreiben zu reduzieren habe ich meine Schrift verkleinert und die Formen der Buchstaben und Wörter reduziert (zum Beispiel wurde die Nachsilbe -ung einfach zu einem angehängten -g, erkennbar durch die Schleife unten).
Ein großer Teil der Schrift war für mich einfach nur Ballast.
Meine Lehrer hatten damit allerdings ihre Probleme, denn natürlich waren meine Kürzungen nur für mich gültig und ich musste erst lernen, welche Teile eines Wortes ich auf jeden Fall brauche, damit es verständlich bleibt, und welche ich weglassen kann (z.B. habe ich gemerkt, dass in meiner Schrift die i-Punkte zum Verständnis notwendig sind. Sie Unterscheiden das „i“ vom „n“ und dem „u“).
Irgendwann bin ich dann auf Steno gestoßen und mit Steno machte es mir plötzlich wieder Spaß, klar und schön zu schreiben, weil hier ein klares Schriftbild nicht mehr im Widerspruch zu schnellem Schreiben stand. Denn in Steno wird sowieso nur geschrieben, was für den Inhalt notwendig ist, so dass es keine Vorteile bringt, Teile wegzulassen.
Ich habe es mir in der Schule mit dem Buch „Stenografie im Selbstunterricht“4 beigebracht und schreibe seitdem hobbymäßig Steno.
In meinem Studium kam mir das für Mitschriebe sehr zu gute, weil ich die Zeit hatte, nicht nur die Tafelaufschriebe zu übernehmen, sondern zusätzlich eigene Gedanken dazu festhalten konnte.
Während der Diplomarbeit habe ich die Grundlagen dann nochmal mit „Steno heute“ wiederholt, um Unsauberkeiten loszuwerden, die ich mir über die Jahre angewöhnt hatte - und um von der Verkehrsschrift zur Eilschrift überzugehen.
Heute schreibe ich die meisten meiner Entwurfstexte5 in Steno - und natürlich mein Tagebuch.
Ich habe mich allerdings immer darüber gewundert, dass Steno nur als Methode zum schnellen Schreiben vermittelt wird, und weder als Kunst, noch als Methode zur sehr effizienten Kodierung von Informationen. Denn was Steno in meinen Augen so besonders macht ist, dass es eine Methode bietet, um Informationen als minimale Piktogramme aufzuzeichnen, die sich mittels weniger Regeln rekonstruieren lassen - jeweils mit verschiedenen Mengen an Kontext.
Dabei sehe ich drei Stufen.
In sich selbst eindeutige Piktogramme. Sie verwenden nur vereinfachte Buchstaben in Lautschrift, eine Vokalkodierung, so dass Vokale nicht einzeln geschrieben werden müssen, und spezielle Kürzel für sehr häufig verwendete Wörter. Für häufige Konsonantenpaare gibt es eigene Zeichen - z.B. für „fr“: Ein f, das unten gerade endet. Schon hier sind Spezialkürzel möglich, die durch Hochstellung hervorgehoben werden. Beispiel:
„Wir danken dem Käufer des Essens“
Grammatikalisch eindeutige Kürzungen. Hier wird alles weggelassen oder gekürzt, das aus dem Kontext erkennbar ist, ohne die Bedeutung des Textes verstehen zu müssen. Dadurch wird z.B. die Doppelverwendung vieler Buchstaben als Kürzel möglich. „fr“ kann dann als „fer“ genutzt werden. Beispiel:
„Wir danken dem Käufer des Essens“, gekürzt zu „(Wir) dank (dem) K(äufr) (des) Essen“ (in Klammern Teile, die jeweils durch ein einzelnes Zeichen repräsentiert werden).
Inhaltliche Kürzung. In dieser höchsten Stufe wird alles weggelassen oder gekürzt, das durch Verständnis des Umliegenden Inhaltes ergänzt werden kann. Teilweise werden ganze Satzteile durch ein einzelnes Kürzel repräsentiert. Hierfür kann ich kein Beispiel geben, weil ich selbst noch nicht so weit bin.
Außerdem gab es früher ganze Bücher mit zusätzlichen Kürzeln, die mit diesen Prinzipien konstruiert waren, teilweise aber auch einfach Wörter durch hochgestellte Kürzel ausdrückten - z.B. können Vorsilbe und Stamm des Wortes genutzt werden, um das ganze Wort zu repräsentieren. Die Kürzel können entweder Stufe 1, 2 oder 3 sein - je nachdem, wie viel Kontext notwendig ist, um das Kürzel eindeutig zu identifizieren. Stenografinnen und Stenografen im Parlament haben darüber hinaus weitere Kürzel — einige auf der Webseite der Parlamentsstenografen dokumentiert.
Anders als die lateinische Schrift ermöglicht Steno mir die stetige Weiterentwicklung meiner eigenen Handschrift als Informationsmedium.
In lateinischer Schrift können wir nur an der Außenwirkung der Schrift arbeiten (also am Schriftbild, damit das für andere besser aussieht) oder unsere Hände trainieren, die gleichen Bewegungen schneller auszuführen. Sobald wir die Schrift selbst optimieren stoßen wir schnell an Grenzen, hinter denen wir unsere eigenen Texte nicht mehr rekonstruieren können, ohne zu wissen, was wir geschrieben haben. Und selbst dann enthält die Schrift noch viel Redundanz, verliert aber oft die für den Inhalt wirklich wichtigen Details.
In Steno dagegen werden die unwichtigen Details explizit identifiziert und weggelassen, so dass die Schrift auf die für den Inhalt wirklich relevanten Teile reduziert wird.
Normale Handschrift wird bei vielen Menschen im Lauf ihres Lebens unleserlicher, weil ein Großteil der darin enthaltenen Information für den Inhalt des Textes unwichtig ist, oder zumindest redundant, was dazu einlädt, Formen wegzulassen oder zu vereinfachen. Allerdings gehen dabei oft Teile des Schriftbildes verloren, die für das Verständnis notwendig wären.
Steno strukturiert den Prozess der Vereinfachung so, dass sichergestellt ist, dass die für das Verständnis des Inhaltes notwendigen Teile der Schrift erhalten bleiben.
Mir ermöglicht es dadurch gleichzeitig entspanntes, schönes und schnelles Schreiben, das ich mein ganzes Leben lang verbessern kann.
Außerdem haben Stenogramme ihre eigene Ästhetik: Sie enthalten die gesamten Informationen in klaren Formen und sind damit fast eine Art Siegel, das die Informationen auf minimale Art repräsentiert. Als Beispiel dafür habe ich den Refrain eines meiner Lieder als komprimiertes Stenogramm aufgezeichnet:
Es gibt so viel zu tun
und so wenig Zeit
und nur ein Leben dafürEs sieht aus, wie ein chinesisches Schriftzeichen, aber es steht nicht nur für ein Wort, sondern für eine ganze Strophe eines Gedichtes.
Und Steno ist eine Kunstform, die noch vor 50 Jahren in ganz Deutschland verbreitet war, heute aber fast ausgestorben ist6, obwohl sie immernoch großen Teilen der Bevölkerung Vorteile bringen würde. Aber die Akademiker, die heute am stärksten davon profitieren würden7 (z.B. für schnelle und flexible Mitschriebe und Textentwürfe), haben sie nie gelernt. Denn Stenografie war Sekretärinnen und Kaufleuten vorbehalten, die sie heute durch Computer meist nicht mehr verwenden.
Ich denke aber, Stenografen könnten wieder wichtiger werden, wenn mehr und mehr Firmen merken, dass jeder Computer eine potentzielle Sicherheitslücke ist. Hoffen wir mal, dass es dann noch genug Stenographen gibt, die das alte Wissen weitergeben können…
Steno steht für Stenografie (Kurzschrift) und ist nicht zu verwechseln mit Stego: Steganografie (der Kunst, Informationen in anderen Informationen zu verstecken). ↩
Um meine eigene Geschwindigkeit zu testen, habe ich Testtexte mit im Deutschen häufigen Wörtern getippt und in Steno geschrieben. Beim Tippen komme ich auf 470 Zeichen pro Minute. Beim entspannten Schreiben in Steno auf 250 bis 4008. Allerdings verbrauche ich bei Steno immernoch viel Zeit mit Denken (vor jedem Wort), weil die Umsetzung von Wort in Druckschrift in ein Steno-Kürzel bei mir noch nicht komplett automatisch läuft. Und Steno fühlt sich deutlich entspannter und natürlicher an als Tippen. ↩
Das Bild ist mit Inkscape erstellt. Dank Glättung der Pfade sieht man nicht so deutlich, dass ich die Zeichen mit der Maus gemahlt habe… ☺ ↩
Dank Kon Yu aus Freenet habe ich erfahren, dass Stenografie im Selbstunterricht wohl nicht mehr verfügbar ist. Als Alternative funktioniert STENO heute von Drews (die Meinungen auf Amazon gehen dazu sehr auseinander). Das habe ich gelernt, um mein Steno nach ~8 Jahren nochmal auf den Standard zurückzubringen. Es gibt davon auch eine Version für die Eilschrift, die auf dem ersten aufbaut. Es ist allerdings eher Schulungsmaterial (weniger Erklärung, eher praktische Übungen). Ansonsten bietet Bookzilla eine Auswahl weiterer Steno-Lernbücher. ↩
Den Entwurf für diesen Text habe ich auf ein gefaltetes DinA4-Blatt geschrieben. Eine der 4 Seiten sieht so aus:
(alle 4 Seiten) ↩
Heute wird Steno v.a. im Bundestag genutzt, denn ein guter Stenograph schreibt von Hand eineinhalb mal so schnell wie der Weltrekordhalter des Tippens auf der normalen Tastatur. Es gibt Stenomaschinen, aber auch die können nur etwa 20% mehr Geschwindigkeit herausholen - bei deutlich höheren Kosten und einer starken Abhängigkeit von speziellen Produkten. ↩
Ich denke, dass Akademiker am meisten von Steno profitieren würden, weil sie mit 5-8 Jahren Studium eine sehr lange Phase haben, in der Steno ihnen große Vorteile bringen kann: Sie verbringen jeden Tag etwa 4 Stunden in Vorlesungen, in denen sie teilweise durchgehend mitschreiben. Steno zu lernen braucht Zeit, die nicht für anderes genutzt werden kann. Daher muss der Zeitraum, in dem es einen besonders großen Nutzen hat, lang genug sein, damit der Gesamtnutzen die Lernkosten übersteigt. Wenn wir allerdings miteinbeziehen, dass eine effizientere Schrift uns für unser ganzes Leben hilft und nicht nur für die Ausbildungszeit, würden nicht nur Akademiker von Steno profitieren, sondern alle, die in relevantem Maße handschriftliche Notizen verwenden, also ebenso Handwerker, die Aufträge am Telefon besprechen, Geschäftsleute, die Einkaufe planen, und natürlich alle aus der schreibenden Zunft. ↩
250 Zeichen pro Minute sind etwa 100 Silben pro Minute. Professionelle Stenografen müssen mindestens 360 Silben pro Minute schreiben können, ich hätte also noch einiges an Weg vor mir, wenn ich mit Steno Geld verdienen wollte ☺ ↩
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Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. — Artikel 1, Absatz 1, Grundgesetz.
(in Steno)
Falls Du das so wie ich auf einer Tasse oder als Sticker oder als Button haben willst:
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Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.
Eine Zensur findet nicht statt.
Artikel 5, Absatz 1, Grundgesetz.
Die Schriftbilder sind aus der kurzschriftlichen Fassung (DEK-Steno) von Artikel 5 Absatz 1 aufgebaut. Sie bedeuten jeweils, was darunter steht. Wie der größte Teil dieser Seite sind sie frei lizensiert. Ihr könnt sie unter cc by-sa verwenden, mit Link auf diese Seite. → Weitere Stenosiegel
Wenn wir unser Grundgesetz ernst nehmen, müssen wir am 23.3.2019 auf die Straße. Denn gerade jetzt droht der Aufbau flächendeckender Zensur in der EU.
Ihr findet eine Karte der Demonstrationen unter www.savetheinternet.info/demos. Schaut sie euch heute an und kopiert Ort und Zeit.
Bei der letzten Demo landeten kurz vor der Demo diese Seiten auf schwarzen Listen (eigentlich gegen Spam gedacht), so dass sie in sozialen Netzen nicht verlinkt werden konnten. Sogar E-Mails mit den Links wurden geblockt. Das darf uns dieses Wochenende nicht aufhalten, daher gebt die Informationen bitte direkt weiter.
Am Samstag sind in vielen Städten Europas Demos gegen den Zwang zum Aufbau einer flächendeckenden Zensurinfrastruktur (Artikel 13) bei gleichzeitiger Enteignung von Künstlern (Artikel 12) und Lizenzpflicht für Links (Artikel 11) durch die korrumpierte Urheberrechtsrichtlinie. Seid dabei. Der Kampf gegen Artikel 11, 12 und 13 ist kritisch. Helf mit, die Demos nächsten Samstag zu größten der letzten Jahre zu machen. Das Netz braucht jetzt eure Stimme. Dieses Wochenende können wir etwas bewirken.
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ — Artikel 5, Absatz 1, Grundgesetz
Ich komme in Karlsruhe zum Stephansplatz, 13:30 Uhr, hinter der Postgalerie am Europaplatz (nach und vor dem Gratisrollenspieltag — ich hoffe, wir treffen uns bei beidem!).
Bis heute sind die folgenden Termine auf der Demo-Seite genannt. Sicher ist auch eine in für euch erreichbarer Entfernung dabei. Demonstrationen am 23. März 2019:
„Von Hand schreiben ist unnütz: Tippen geht viel schneller“, das sagte jemand in der letzten Tee-Runde am Institut. Mir leuchtete das sofort ein; bis ich darüber nachdachte. Dann habe ich mich gefragt: Stimmt das überhaupt — wenn wir Gleiches mit Gleichem vergleichen? Ist dann Tippen schneller, oder ist Handschrift schneller?
Der erste Schritt führt zur Literaturrecherche: Laut Wikipedia1 liegt der Weltrekord beim Tippen mit Tastatur bei 821 Anschlägen pro Minute.2 Im gleichen Wettbewerb lag die beste Handschriftliche Leistung bei 1454 Anschlägen pro Minute (gezählt als 422 Silben pro Minute).3 Die Handschrift ist nicht langsamer, sondern über 75% schneller. Es gibt also etwas zu untersuchen.
Jetzt magst du sagen „Ja, das ist aber unfair, du vergleichst Tippen mit Steno!“. Wenn du das denkst, lass mich gegenfragen: „Ist es denn fair, die lateinische Ausgangsschrift mit Tippen zu vergleichen?“
Die Lateinische Ausgangsschrift ist, was wir in der Grundschule lernen, aber sie wird durch Training nicht viel schneller. Irgendwann werden die Formen mechanisch zu viel Aufwand, und sehr schnell geschriebene Texte werden oft unleserlich. Wer diese Unleserlichkeit vermeiden will, muss sorgfältig überlegen, wie die Formen vereinfacht werden können. Oder einfach ein Stenobuch zur Hand nehmen. Denn die DEK (die Deutsche Einheits-Kurzschrift) ist die logische Weiterentwicklung der lateinischen Schrift,8 wenn das Ziel nicht reine Ästhetik mit einem leicht brechenden Gänsekiel ist, sondern hohe Schreibgeschwindigkeit mit modernen Schreibgeräten.
Du magst einwenden „Aber Steno zu lernen dauert lange“, und du liegst damit nicht ganz falsch. Doch das gleiche gilt für schnelles Tippen. Da merken wir es nur nicht so sehr, weil die meisten von uns das weniger bewusst trainieren, sondern einfach sehr viel tippen, und weil sich das Ergebnis nicht ändert, wenn wir besser werden. Es ist nur schneller da. Aber die Geschwindigkeit erreicht selten auch nur das Niveau, das für Schreibkräfte mit Steno das Mindestkriterium war.
Wettbewerb Schnellschreiben:2
- Tastatur: Die besten neun schaffen über 620 cpm.
- Steno: Alle schaffen über 1000 cpm.
Früher konnte jede Sekretärin 180 Silben pro Minute von Hand schreiben. Das entspricht 620 Anschlägen pro Minute auf der Tastatur, die heute nur von den wenigsten erreicht werden. In dem oben verlinkten Wettbewerb 2001 haben das nur die besten 9 Tippenden erreicht. Diese Geschwindigkeit war früher ein notwendiges Kriterium zur Einstellung! Der Durchschnitt der Geschwindigkeit der Handschrift dürfte noch deutlich höher gelegen haben: Alle Teilnehmenden in deutscher Stenographie erreichten in dem Wettbewerb mehr als 300 Silben pro Minute, also über 1000 Anschläge pro Minute!
Unser Schriftverkehr wurde durch Computer schneller, aber das gilt paradoxerweise nicht für das Aufschreiben selbst. Das wurde im Gegenteil eher um mindestens Faktor 2 langsamer — zumindest wenn wir gleiches mit gleichem vergleichen: Professionelles Handschreiben mit professionellem Tastschreiben (oder Handschrift mit Zwei-Finger-Adlerauge-Suchsystem — oder gar Handytippen9). Nur direkte Spracherkennung kommt dem nahe, doch Stenografen können deutlich schneller schreiben als Menschen sprechen.10
„Das sagst du jetzt so, aber wie sieht es bei dir aus? Bist du nicht auch ein Tipper?“ Das ist ein berechtigter Einwand. Ich tippe selbst etwas schneller als ich von Hand schreibe. In meinem letzten Test kam ich beim Abschreiben von Hand auf das Äquivalent von 411 Anschlägen pro Minute, bin aber beim Tippen bei etwa 470 Anschlägen pro Minute. Gleichzeitig tippe ich aber auch schon seit fast 20 Jahren doppelt bis dreimal so viel wie ich von Hand schreibe. Hätte ich Steno gelernt wie es Sekretärinnen früher lernten, könnte ich dagegen viel schneller von Hand schreiben als ich tippe, und mit weniger Anstrengung. Jede Sekretärin musste früher schneller schreiben können, als ich es heute kann. Diesen Text habe ich (wie viele andere) in Steno entworfen und dann abgetippt.
„Was schlägst du dann vor?“ Wir sollten in Deutschland unsere Prioritäten überdenken, gerade in der Bildung. Nur weil heute alle gezwungen sind, halbwegs schnell zu tippen, können noch lange nicht alle beurteilen, wie effizient Handschrift ist, und nur weil Rechner heute sehr umständliche Eingabemethoden haben und effiziente und gleichzeitig exakte Bedienung Grafiktabletts vorbehalten ist, heißt das nicht, dass Spracherkennung die beste Option ist. Wir brauchen nur eine Handschrifterkennung für Steno, und die ganze Effizienzfrage muss neu aufgerollt werden.
Die aktuellen Begrenzungen der Technologie sollten daher nicht unsere Bildungspolitik bestimmen. Bildung muss für ein ganzes Leben sinnvoll sein, nicht nur für die nächsten 15 Jahre. Und wenn wir professionelle Handschrift mit professionellem Tippen vergleichen, gewinnt die Handschrift deutlich. Erst wenn statt einer Tastatur eine Stenographiemaschine verwendet wird, kann Tippen die Handschrift überbieten, allerdings laut Herstellerangaben um gerade mal 10%.
Entgegen meiner eigenen anfänglichen Annahme ist Tippen also nicht schneller als Handschrift. Das Gegenteil ist der Fall: Handschrift ist 75% schneller als Tippen.
Alles in allem bleiben dem Tippen nur 3 Vorteile: Leichteres Weitergeben, leichteres Ändern, und dass es für Englisch und Spanisch ähnlich funktioniert wie für Deutsch (allerdings nicht für Chinesisch, für Polnisch oder Ukrainisch, und nicht einmal wirklich für Französisch12). Zwei dieser Vorteile können sich jedoch durch Handschrifterkennung für Steno schnell ändern.
Dafür hat das Tippen beträchtliche Nachteile: Gleichungen sind schlecht zu schreiben. Zeichnungen sind umständlich. Es ist nicht klar einer Person zuzuordnen und dadurch für rechtlich bindende Dokumente eigentlich untauglich (z.B. für ein Testament: Wie soll eine Unterschrift beweisen, dass ich den Text wirklich gelesen habe?), und es braucht zwingend Maschinen, die immer Sicherheitslücken darstellen. Würden wir so viel von Hand schreiben wie wir Tippen, und würden wir in der Schule auch Schnell-Schrift lernen und nicht nur Schön-Schrift, dann wäre die Handschrift dem Tippen auch bei Nicht-Profis klar überlegen.
Daher sollten wir in der Schule weiter die Handschrift lernen, und Schülerinnen und Schülern zeigen, was mit ihr möglich ist.
Wie viele andere Texte in den letzten Jahren habe ich diesen Text erst in Steno entworfen und dann abgetippt. Dadurch überarbeite ich den Text automatisch mindestens einmal und ich kann überall an Texten arbeiten.
Abbildung 1: Textentwurf, Seite 1.
Abbildung 2: Textentwurf, Seite 2.
Abbildung 3: Textentwurf, Seite 3.
Abbildung 4: Textentwurf, Seite 4.
Sowas ähnliches wie Literatur, die erste Annäherung, wenn man selbst nicht aktiv in einem Gebiet arbeitet :)
Erreicht beim 30 Minuten Tippen 2001 auf dem 43. Intersteno-Kongress In Hannover.
Eine Silbe enthält etwa 2.68 Phoneme,4 was 2.9 Buchstaben pro Silbe entspricht. Dazu kommt nochmal je 1,83 Silben ein Leerzeichen,5 so dass pro Silbe etwa 3.4 Zeichen getippt werden müssen.6
Wikipedia referenziert hier vier Veröffentlichungen: (1) Karl-Heinz Best: Silbenlängen in Meldungen der Tagespresse. In: Karl-Heinz Best (Hrsg.): Häufigkeitsverteilungen in Texten. Peust & Gutschmidt, Göttingen 2001, Seiten 15-32. (2) Falk-Uwe Cassier: Silbenlängen in Meldungen der deutschen Tagespresse. In: Karl-Heinz Best (Hrsg.): Häufigkeitsverteilungen in Texten. Peust & Gutschmidt, Göttingen 2001, Seiten 33-42. (3) Karl-Heinz Best: Silbenlängen im Deutschen. In: Glottotheory 4, 2013, Seite 36-44, Daten Seite 42. (4) Helmut Meier: Deutsche Sprachstatistik. 2., erweiterte und verbesserte Auflage. Olms, Hildesheim 1967, 1978, ISBN 3-487-00735-5, Seite 321.
Die durchschnittliche Wortlänge, gewichtet nach Häufigkeit, ist 1,83 Silben pro Wort. Wikipedia referenziert hier George Kingsley Zipf: The Psycho-Biology of Language. An Introduction to Dynamic Philology. The M.I.T. Press, Cambridge, Massachusetts 1968, Seite 23. Erstdruck 1935. Kommentar in der Referenz: Zipf erwähnt noch, dass Kaeding die Summe der Wörter auf 10,910,777 korrigiert habe, ohne die Verteilung auf die verschiedenen Wortlängen mitzuteilen. Die angeführte Berechnung ist geringfügig korrigiert und etwas ergänzt. Die gleichen Daten wie bei Zipf finden sich in: David Crystal: Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache. Campus, Frankfurt New York 1993, Seite 87. ISBN 3-593-34824-1../
„Ich lerne Stenografie, weil ich meine Schrift immer weiter entwickeln können will.“ — Steno: Eindeutig rekonstruierbare Piktogramme.
Selbst mit Swype/T9 Trace/SwiftKey/… erreichen Leute laut Herstellerangaben gerade mal 50 Wörter pro Minute, also etwa 315 Anschläge pro Minute. Die durchschnittlichen Geschwindigkeiten dürften deutlich niedriger liegen.
Leute sprechen etwa 90 bis 160 Wörter pro Minute,11 was etwa 550 bis 1000 Anschlägen pro Minute entspricht. Alle Stenografen in dem Wettbewerb 2001 in Hannover konnten also schneller schreiben als Leute sprechen, langsame Sprechende sind nur etwa halb so schnell wie die langsamsten Stenographen in dem Wettbewerb. Der Referenzbereich liegt nur bei 90 bis 120 Wörtern pro Minute, also bei 567 bis 756 Anschlägen pro Minute.
Die Sprechgeschwindigkeit von 90 bis 160 Wörtern pro Minute kommt wieder aus Wikipedia und wurde bei Predikten gemessen: Christian Bensel: Linguistische Notizen zu Predigten in den „Freikirchen in Österreich“. In: Christian Bensel, Jonathan Mauerhofer (Hrsg.): Predigt zwischen Anspruch und Wirklichkeit. VTR, Nürnberg 2016, S. 14-33, dort 19.
Wer eine französische AZERTY-Tastatur gewohnt ist, hat große Probleme, auf QWERTZ oder QWERTY zu tippen. Wer den angenehmen Bewegungsfluss von Belegungen wie Dvorak (Englisch) oder Neo (Deutsch) kennt, wird sich über die Behauptung der sprachenübergreifenden Verwendbarkeit von Tipp-Kenntnissen vermutlich sowieso wundern.
Ich lerne Stenografie, weil ich meine Schrift immer weiter entwickeln können will.
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Dank Maren Theel war mein Steno-Gedicht Nur ein Leben letztes Jahr als Teil ihres Werkes auf der Kunstausstellung short_hand_made in Hamburg!
Werk von Maren Theel für short_hand_made, unter Verwendung des Steno-Gedichtes Nur ein Leben von Arne Babenhauserheide. Lizenz: GPL.»am 07.09. wurde die ausstellung short_hand_made in hamburg mit einer rede von dr. arie hartog, dem direktor des bremer gerhard-marcks-hauses vor großem publikum eröffnet.diese ausstellung wurde von den hamburger künstlern reinhold engberdingund dessen künstlerischem partner holger b. nidden-grien anläßlich von engberdings rundem geburtstag organisiert.ca. 130 kollegen aus vielen teilen der weltsind dem aufruf gefolgt und haben arbeiten geschickt. *vom 08.-19.09.*«
— Information zur Veranstaltung
Es hat einige Monate gedauert, bis ich es geschafft habe, darüber zu schreiben („so viel zu tun und so wenig Zeit“), obwohl ich begeistert davon bin, dass eins meiner ungewöhnlichsten Werke das Erste ist, das auf eine Ausstellung gekommen ist, die von einer Kunsthochschule beworben wurde (oder vielleicht hat es gerade deswegen so lange gedauert: Das ist fast zu wahnsinnig, um wahr sein zu können).
Die meisten meiner Steno-Siegel leben bisher nur in meinen Notizheften. Vielleicht sollte ich das als Motivation nehmen, mehr von ihnen einzuscannen. Wobei… wenn ich mir anschaue, wie lange ich gebraucht habe, um diesen Artikel zu schreiben, könnte das als Motivation kontraproduktiv sein ☺
Ach, egal: Ich hoffe, die Geschichte ist euch ein Ansporn, auch eure unkonventionellen Werke zu veröffentlichen!
Es gibt so viel zu tun
und so wenig Zeit
und nur ein Leben dafür.
— Arne „gut, ich spinne, aber immerhin habe ich Spaß“ Babenhauserheide ☺