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Arne Bab.
E-Mail: Arne Bab.

Krise und Ende der Sowjetunion, Eine Geschichte
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Von einer schwieligen Hand zur nächsten wurde die Flasche gereicht. Dann kam sie wieder zurück in die kräftigen, gichtigen Hände, die von der Wettergegerbten Haut wie von hartem Leder überzogen waren. Sie wurde zu rissigen Lippen geführt und verschwand in einem dicken Ledermantel.

"Meine Freunde", begann der Mann mit glänzenden Augen, "Erinnert euch der grossen Männer unserer Zeit. Nach dem Terror Stalins, der vielerorts die Herzen der Menschen trübte, erwuchs uns endlich wieder ein würdiger Anführer. Nikita Chruschtow begann sofort nach Antritt seines Amtes die Fehler seines Vorgängers zu beheben. Seine Reformen brachten uns in vielen Bereichen voran, wie im Schulsystem und der Landwirtschat. Ausserdem gelang es ihm die verkrusteten Strukturen in unserer Partei aufzubrechen, doch sein grösser Verdienst ist ohne Zweifel im Raumfahrtprogramm zu sehen. Nur durch seine Entschlossenheit und seinen Mut waren wir Jahre lang für die Raumfahrt bekannt. Vor allen anderen verliessen wir dieses Gefängnis um in die unendlichen Weiten des Himmels vorzudringen"

Ein kräftiger Mann ballte die Faust. Seine ärmliche Kleidung verbarg nur ungenügend das schwarze Narbengeflecht, das sich vom Brustkorb aus über den Hals zog.
"Chruschtow war noch wahrhaftig einer von uns!"

Mit abschätzigem Blick fuhr der Alte fort "Doch dieser grosse Mann wurde von Missgünstigen Menschen, die um ihre Macht fürchteten hintergangen und gestürzt. Er habe in der Aussenpolitik versagt und uns regiert wie wir unsere Höfe zu führen wissen!"

Eine ausgemergelte Frau schnaubte wütend "Wenn sie einen Bauernhof führen könnten hätten wir mehr zu essen" Viele Münder riefen ihre Bestätigung. Als der Erzähler weitersprach war schlagartig wieder Ruhe. Nur ein Kleinkind greinte leise an der ausgemergelten Brust seiner Mutter.

"Dieser grosse Mann wurde durch den korrupten und elitären Leonid Breschnew abgelöst. Er hat uns in einen Abgrund geführt um sich selbst in die Höhe zu heben. Für Jahrzehnte konnte wir nur noch im Stillen beten und erfuhren nur durch unserer Kinder Briefe aus der Stadt, was geschah. Drei jahre nach seinem Amtsantritt etwa hat mir mein Sohn, ein Prachtbursche, eine von ihm herausgebrachte Zeitung bringen lassen!"
Der Alte machte eine weitere Pause. Dann rief einer hinter der Reihe mit dünner Stimme:
"Und was stand darin?" "Ich weiss es nicht, aber ich bewahre sie immer noch auf, für den Tag, dass sich ein Mensch hierher verirrt, der mir die Zeitung vorliest." Er sah in die Runde.

"Wollt ihr mir nun zuhören, damit ich diese Geschichte erzählen kann, oder werdet ihr mich auch weiter ständig unterbrechen?" Die Umstehenden nickten hastig und der Vernarbte sagte mit seiner tiefen, rasselnden Stimme: "Sprich weiter, ich unterbreche dich nicht". Mit einem befriedigten Nicken fuhr der Erzähler fort.
"Zum Glück starb Breschnew nach 18 jahren seiner Herrschaft. Seine Nachfolger hatten mit schrecklichen Problemen zu kämpfen: Nie zuvor war unser Vaterland so geschwächt wie zu jener Zeit. Dann, nachdem Zwei gescheitert waren wurde Gorbatschow gewählt. Endlich ging es wieder etwas aufwärts in unserem Land. Neue Industrien siedelten sich an, doch vor allem bekamen wir endlich neue Pflüge!"
Der Erzähler griff in seinen Mantel und nahm einen guten Schluck aus der Flasche.
"Das waren gute Zeiten, mit Gorbatschow. Er räumte endlich auf und führte zuende, was Chruschtow begonnen hatte. Damals soll man in der Stadt sogar unabhängige Filme gesehen haben und wir konnten wieder in die Kirchen gehen."

Er hustete, dann trat ihm Schaum auf die Lippen. "Doch das ist jetzt alles vorbei", murmelte er noch und die Flasche entglitt seinen gichtigen Fingern. Als der Mantel aufschlug enthüllte er die stinkenden Geschwüre auf der braunen Haut, an denen das Hemd aufgerissen war. Einer der Umstehenden drückte ihm die Augen zu und gedachte für einen Augenblick der Nacht des Schreckens. Fünf Reaktoren waren zugleich explodiert.

Dann wandten sich die Zuhörer wieder ihren Feldern zu um ihnen erneut die ärmlichen Ähren zu entreißen, die auf dem verseuchten Boden noch gediehen.

Kommentar: Geschrieben um mir die Fakten für eine Geschichtsarbeit einzuprägen.

Arne Bab.


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