Kritik an den Nachdenkseiten und ein Abschiedsbrief
Die „nicht Gefährdeten“ mit Long Covid
ich versuchte den Nachdenkseiten aus historischen Gründen immer wieder eine Chance zu geben. So auch heute wieder. Und dann lese ich:
nicht-gefährdete jüngere Menschen
— https://www.nachdenkseiten.de/?p=73063
Inzwischen haben 300.000 dieser „nicht Gefährdeten“ durch Corona Langzeitschäden. Wie ihr hier „nicht Gefährdete“ schreiben und später selbst auf Long Covid eingehen könnt, ist für mich nicht nachzuvollziehen. Das kann man dann in Bezug zu psychischen Folgen setzen, wenn es um eine Entscheidung für Maßnahmen geht, aber wenn, dann richtig: Wie viele hätten ohne den Lockdown Long Covid gehabt? Was hätten die zusätzlichen Toten an psychischen Schäden und Langzeitschäden bewirkt?
Und ihr vergleicht die Übersterblichkeit in Schweden, doch Schweden hat eine jüngere Bevölkerung als Deutschland (40% mehr unter 15, 10% mehr bis 24, 14% weniger über 55), so dass die Übersterblichkeit nicht aussagekräftig für Auswirkungen der Maßnahmen ist. Was eher vergleichbar ist: Schweden hatte eine 10% Infektionsrate (bis Delta, der am meisten schadenden Variante) — doppelt so hoch wie Deutschland.
Ihr schreibt:
Die […] Idee der maximalen Kontaktvermeidung machte eine Differenzierung der Maßnahmen nicht mehr möglich
und doch wurden Demonstrationen erlaubt, bis nicht nur nachgewiesen wurde, dass dadurch Zehntausende infiziert wurden, sondern die Veranstalter auch immer wieder unter Beweis stellten, dass sie sich nicht an Gesundheitsauflagen hielten. Es wurde nicht zu wenig, sondern zu viel und falsch differenziert.
Die alten Nachdenkseiten hätten all das sauber herausgearbeitet. Davon ist leider nicht viel geblieben. Stattdessen benennt der Artikel das Schwedische „lass mal doppelt so viele infiziert werden“ als „Empowerment“.
Nachtrag: Dass unter den von den Nachdenkseiten veröffentlichten Leserbriefen dazu nur Jubelbriefe und Brandstifter sind (dieser Artikel ist aus meinem Leserbrief hervorgegangen und wurde nicht gelistet) passt leider nur allzugut in dieses Bild.
So langsam ist damit euer historischer Bonus bei mir aufgebraucht. Ich habe hier immernoch das Buch Die Reformlüge. Eine entsprechend grundlegende Kritik braucht ihr heute selbst. Selbstkritik. Ohne eine Aufarbeitung eurer eigenen Rolle bei der Corona-Krise und der Radikalisierung der extremen Rechten ist für die Nachdenkseiten in meinen Informationsquellen kein Platz mehr. Auch das bedeutet für mich Aufklärung: Mich von Informationsquellen zu lösen, die gezeigt haben, dass sie zu viel irreführende Propaganda betreiben.
Selbst wenn es weh tut.
Nachtrag ’24: Nachdenkseiten zersetzten Linke
Kommentar zu Forscher über „Nachdenkseiten“ in der Taz.
Vor einem knappen Jahrzehnt beklagten die Nachdenkseiten, dass die Linke medial angegriffen wird, um sie zu spalten. Jetzt hat sie die Spaltung der Linken über das BSW selbst vorangetrieben.
Das passt meiner Meinung nach sehr gut zur Gesamtänderung der Nachdenkseiten: sie sind von Kritikern der Propaganda selbst zu Propaganda geworden.
Als Anfang davon sehe ich das erste ihrer Gespräche, in dem sie Rechtsextreme eingeladen haben. Da hat die Korrumpierung angefangen und wurde dann immer schlimmer.
Ich selbst habe die Nachdenkseiten 2021 endgültig aufgegeben, weil ein Artikel nicht nur Fehlinformationen enthielt, sondern sich selbst klar widersprach. Damit war nicht mehr zu leugnen, dass sie keine alternativen Bildungs- oder Informationsziele verfolgen, sondern rechte Propaganda verbreiten.
Sie machen selbst, was sie früher beklagten.