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Nachhaltigkeit statt Post-Wachstum!

Grenzen des Post-Wachstums nach Paech

Ich fand Post-Wachstum eine gute Idee, bis ich dazu einen Vortrag von Niko Paech, einem seiner großen Verfechter, gehört habe. Er war (noch vor der Pandemie) bei den Grünen für eine Podiumsdiskussion eingeladen, und seine Positionen und Argumentationslinien haben mich gründlich abgeschreckt.


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Post-Wachstum, wie es Niko Paech vertreten hat, ist eine Ideologie, die zwar oberflächlich Ähnlichkeit zu Nachhaltigkeit1 hat, im Kern aber den Fortbestand unserer Zivilisation im Namen eines Stillstands opfern will, den es nichtmal im Mittelalter gab, und auf gezielte Zerstörung existierender Strukturen setzt, um eine scheinbar genügsamere Gesellschaft zu schaffen, die durch reduzierte Spezialisierung entweder starke Wohlstandsverluste (wie schlechtere Medizin) oder einen höheren Pro-Kopf Ressourcenverbrauch hätte.

Hier beschreibe ich die schlimmsten Widersprüche.

Niko Paech bezeichnete allen Fortschritt als Ausbeutung. Effizienzgewinne wie LEDs (Licht für ein Zehntel der Energie) und Gewinne an Wohlstand2 wie Penicillin (es sterben viel weniger) oder Händewaschen in Kliniken (es sterben nicht länger 30% der Frauen im Kindbett) ignorierte er selbst dann noch, als er von mir darauf angesprochen wurde.

Er forderte eine verpflichtende 20-Stunden-Woche — das Verbot, mehr zu arbeiten — doch wir brauchen freie Ressourcen für Wissenschaft, Forschung und Vorsorge, und seine Forderung würde Leuten die Hälfte des Tages verbieten, ihre Spezialisierung zu nutzen, und damit Produktivität zerstören.

Und er hieß nur die Firmen gut, die anderen das Geschäft zerstören, unterschied aber nicht zwischen Fortschritt durch technische Weiterentwicklung und Fortschritt durch übermäßigen Ressourcenverbrauch. Von mir auf diesen Widerspruch angesprochen verwies er im Vortrag auf den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik (es könne keine echte Weiterentwicklung geben, weil Entropie immer zunimmt) und behauptete, damit sei seine Vorstellung für unsere Gesellschaft physikalisch zwingend, obwohl diese Interpretation nur in geschlossenen Systemen gilt, und gerade nicht in dem extern von der Sonne gespeisten System Erde. An dem Punkt hatte er sich schon so in Widersprüche verstrickt, wie Leute, die versuchen, mit Physik Behauptungen über Homöopathie zu untermauern.

Alles in allem vertrat er den Rückschritt in eine primitivere Gesellschaft, in der unsere Errungenschaften in Technik, Medizin und Bildung nicht zu erhalten wären — von Fortschritt ganz zu schweigen — und versuchte durch Aneignung linker und grüner Themen diesen Rückschritt als alternativlos zu verklären.

[2021-06-12 Sa]

Fortsetzung in 2023 und 2024, da er mit den Falschaussagen weitermachte und andere sie aufgreifen:

Niko Paech lügt, und er weiß es

Niko Paech geistert wieder durch Zeitungen, diesmal durch die FR. Er erzählt Märchen zur Klimarettung — und lügt diesmal nachweislich.

Das fängt mit dem Titel an. Er fordert, „5 Leute sollten sich eine Waschmaschine teilen“. Das würde weder die Stromkosten reduzieren, noch die Reparaturkosten (durch Verschleiß), ist also ein reiner Wohlstandsverlust ohne Resourceneinsparung. Bei den ersten 4 Leuten würde zwar das nicht Neukaufen einmalig etwas einsparen — danach wären sie aber mindestens wieder beim gleichen Verbrauch wie vorher, und sie hätten den Wohlstand verloren, zu jeder Zeit waschen zu können.

Und das ist symptomatisch für Niko Paech.

Paech erzählt schon länger Unsinn

Seit er einen Vortrag bei unserer Grünen Ortsgruppe gehalten hat, bin ich insgesamt zu Degrowth auf Abstand gegangen.

In dem Vortrag hat er darum geworben, dass Leuten verboten werden soll, ihre Spezialisierung voll zu nutzen, und dass wir in weniger effiziente Strukturen wechseln sollten und ist soweit gegangen, seine Thesen fälschlich als physikalisch zwingend hinzustellen — was mich als Physiker zusätzlich stört.

Jetzt lügt Paech offen und wissentlich

Im dem jetzigen FR-Artikel behauptet er, alle Innovationen der letzten 200 Jahre hätten sich ökologisch immer negativ ausgewirkt. Das ist erwiesenermaßen eine Lüge:

Effizienzgewinne der letzten 200 Jahre: das Lastenrad, der Tretkurbelantrieb für Fahrräder (1861/63), die blauen LEDs (10% des Stromverbrauchs für Beleuchtung), dreifachverglaste Fenster, Passivhäuser, die alleine durch die Sonne geheizt werden können, Hände desinfizieren im Krankenhaus (1847 etablierte Semmelweis neue Regeln zur Händehygiene unter seinen Angestellten).

Keine davon war ökologisch negativ (es sei denn, man würde höhere Überlebensraten von Kranken als negativ ansehen).

Paech lügt. Und er weiß es. Ich habe ihm einige dieser Beispiele schon vor Jahren auf einem seiner Vorträge genannt und da hat er irgendwann Falschbehauptungen über Thermodynamik als Begründung herangezogen, warum seine Meinung zwingend ist.

Der FR-Artikel endet damit, dass er erzählt, er habe jetzt ein altes Notebook. Was schön ist — solange er es nur dann und wann nutzt, aber bloß nicht ständig.

Ein altes Notebook braucht nämlich für die meisten Aufgaben länger. Es braucht zwar nicht mehr Energie pro Zeit, braucht aber mehr Zeit für die gleiche Aufgabe — also mehr Strom pro Aufgabe. Wenn es nicht nur dann und wann mal genutzt wird, sondern ein wirkliches Arbeitsgerät ist, wäre es Resourcenschonender, die Materialien zu recyclen und ein Notebook mit moderner Technologie zu kaufen.

Und auch das ist symptomatisch für Paech: Er erzählt immer wieder Dinge, die nett klingen, bei denen sich aber bei sauberem Gegenrechnen zeigt, dass sie den Pro-Kopf-Resourcenverbrauch erhöhen würden.

Wir brauchen Nachhaltigkeit statt Post-Wachstum

Statt auf die Märchen von Paech reinzufallen und einen Rückschritt in primitiveres Leben zu fordern, sollten wir konsequent auf Effizienz und Nachhaltigkeit setzen.

Es kann sein, dass nicht der ganze Wohlstand gehalten werden kann, den wir gerade in den wohlhabenden Teilen der Welt haben, wenn wir die Ausbeutung der Resourcen reduzieren — zumindest bei dem Tempo, das inzwischen nötig ist, um noch viel größere Wohlstandsverluste durch die Folgen des Klimawandels zu vermeiden — aber Wohlstandsverlust sollte nicht das Ziel sein; im Gegenteil.

Unser Ziel sollte vielmehr sein, dass die Menschheit vom Parasiten zum Symbionten der Erde wird: dass wir eine Lebensweise finden, die auch den in 100 und 500 Jahren Lebenden noch Wohlstand ermöglicht. Dafür brauchen wir Nachhaltigkeit und genug ungebundene Resourcen, um gegen die aktuellen und kommenden Bedrohungen für das Leben auf der Erde und die Menschliche Zivilisation zu kämpfen.

[2023-03-24 Fr]

Untergangsmythen sind Teil des Problems: seid Teil der Lösung

Zur Zeit werden Mythen über zwingenden Kollaps erzählt. Sie sind Teil des Problems und bringen keine tragfähige Lösung.

Denn unsere technologische Zivilisation zu erhalten ist ein essenzieller Teil des Weges, um die Ökosysteme der Erde zu erhalten und als Spezies zu überleben. Ohne sie haben wir bei gleichem Wohlstand deutlich höheren Pro-Kopf Resourcenverbrauch.

Dieser Teil des Artikels ist aus meinen Antworten im Fediverse entstanden.

Gesellschaften sind komplex: Verbesserungen sind möglich

Ich komme aus der Naturwissenschaft, und was ich gelernt habe ist, dass Gesellschaften sehr viel komplexer sind, als was in Naturwissenschaften gerechnet wird.

Am Ende meines Physik-Postdocs (2017) habe ich deswegen den Artikel Die Herausforderungen unserer Zeit sind nicht technischer, sondern sozialer Natur veröffentlicht. (mp3 zum anhören)

Naturwissenschaft und Technik geben Randbedingungen vor, aber da haben wir (noch!) viel größere Spielräume als oft angenommen wird.

Und zu Möglichkeiten von Gesellschaften gibt es weitaus bessere Quellen, als was wir rechnen. Beispiel:

«Any human power can be resisted and changed by human beings. Resistance and change often begin in art, and very often in our art, the art of words.» — Ursula K LeGuin https://www.draketo.de/zitate#power

Aus ihrer Rede, als sie die Medal for Distinguished Contribution to American Letters der National Book Foundation zum 65. National Book Award am 19. November 2014 angenommen hat.

«We'll need writers who can remember freedom, poets, visionaries, the realists of a larger reality.»

Wenn du verfrüht aufgibst, verlierst du.

Moderne Technik und Wissenschaft helfen uns zu überleben

In den „Immer Nach Hause“-Geschichten von Ursula K LeGuin gibt es dörfliche Strukturen mit starken Traditionen.

Das ist allerdings nicht, wohin ein Kollaps führen würde, weil es heute im Gegensatz zu früheren Zivilisationen keine Ausweichorte gibt. Wir haben die Welt global aus dem Gleichgewicht gebracht, und wir haben die Mittel, die gesamte Erde unbewohnbar zu machen.

Wenn andere Leute in hasserfülltem Wahn entscheiden, die Kriegsmaschinerie gegen die zu richten, die sie für bevorteilt halten, können sich kleine Gruppen nicht halten,

Unsere heutigen Möglichkeiten, Tod und Zerstörung zu bringen, ändern die Chancen im Vergleich zu früheren Zeiten.

Deswegen müssen wir die Erde gemeinsam erhalten.

Und ich gehe davon aus, dass wir es inzwischen nicht mehr vermeiden können, in eine Situation zu kommen, in der wir unsere Technologie wirklich zum Überleben — und zum Erhalt der Ökosphäre — brauchen.

Wenn in so einer Situation die Gesellschaft zusammenbricht, verlieren wir die nötigen spezialisierten Fähigkeiten, um diese Technologie zu pflegen und gehen dadurch zu Grunde.

Ein Großteil unserer Technologie hängt von komplexen Werkzeugen ab, die wieder von komplexen Materialen abhängen. Wenn wir zu viele Leute mit Spezialkenntnissen verlieren — oder auch nur zu wenige werden, um uns so spezialisieren zu können (oder nicht mehr Willens; das ist die Gefahr durch Religion) — verlieren wir Technologie.

Erinnert euch an den Versuch, von null auf einen Toaster zu bauen.

Doch wir brauchen diese Technologie zwingend, weil wir schon so viel Schaden angerichtet haben, dass die Ökosphäre ohne Technologieeinsatz wahrscheinlich nicht mehr langfristig tragfähig ist.

Zumindest nicht ausreichend, um menschliches Leben zu erhalten.

Ohne moderne Technik haben wir zusätzlich nicht die freien Resourcen, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu sammeln — vermutlich nichtmal, um auch nur einen Teil der heute schon gefundenen zu erhalten.

Erst Recht nicht bei den Katastrophen, die jetzt schon nicht mehr vermeidbar sind.

Deswegen halte ich den Erhalt der technologischen Zivilisation für essenziell, um als Spezies zu überleben.

Das ist der Pfad den wir erreichen müssen.

Eine nachhaltige Weltgemeinschaft ist möglich

Und weder aus geschichtswissenschaftlicher Sicht noch aus physikalischer Sicht gibt es Gründe, von einem unaufhaltbaren Untergang der Zivilisation auszugehen.

Das IPCC (der Weltklimarat) beschreibt konkret machbare Anpassungsmaßnahmen. Dort gibt es eine eigene Arbeitsgruppe dafür.

Das ist alles gut machbar. Wir müssen es nur wollen.

Nur das gemeinsame Wollen und dann das danach Handeln ist das Schwierige. Und da bin ich ohne Beweise bei LeGuin: auch das geht.

Dafür brauchen wir die Hoffnung, dass wir die aktuelle Zivilisation erhalten und nachhaltig machen können, statt uns an eine viel unwahrscheinlichere Hoffnung zu klammern, dass nach einem Kollaps eine bessere Gesellschaft entstehen könnte.

Und das ist ein politisches, kulturelles und soziales Problem. Und gerade da sagt Ursula K LeGuin — meiner Meinung nach zu Recht — dass das geht.

Wir kommen immer näher an einen Scheidepunkt und wir können entscheiden, Teil des Problems oder Teil der Lösung zu sein.

Wobei wir nicht eindeutig sagen können, wie wir am ehesten Teil der Lösung sind. Weil das eine soziale Frage ist. Das einzige, was ich sicher sagen kann: Sowohl mit Untergangsmythen als auch mit Fossilfanatismus wären wir Teil des Problems.

Und Hoffnung auf eine nachhaltige Zivilisation ist gerechtfertigt: ich sammle inzwischen seit Jahren Klimalinks, und was ich sehe ist, dass viel mehr positive Veränderung passiert ist, als ich erwartet hatte — und auch viel mehr als in meiner Erinnerung geblieben war.

Solarenergie wird vermutlich nächstes Jahr weltweit Kohle überholen. Trotz der Vorhersagen, dass es nie mehr als 20% Solar im Stromnetz geben würde.

Erzählungen von zwingendem Untergang sind Mythen und Ökonomie langfristig vorherzusagen ist Science-Fiction

Viel zu viele gehen heute davon aus, dass sie Ökonomie rechnen können — gehen sogar den Schritt weiter, dass sie den Verfall von Zivilisationen vorhersagen können.

Die übliche Bezeichnung dafür ist Psychohistorik, und sie ist in der Foundation-Trilogie sehr schön behandelt (Leseempfehlung).

Und ja, sie ist Science-Fiction.

Das Problem ist dabei nicht die Existenz von ökonomischen Grenzen, sondern dass Manche davon ausgehen, sie zu kennen.

Die UN geht zur Zeit davon aus, dass sich die Anzahl der Menschen weltweit bei 10 Milliarden stabilisieren wird. Diese Anzahl von Menschen können wir ernähren (solange wir den Klimawandel in den Griff kriegen). Und wir können uns durch Ernährungsanpassungen noch einiges an Spielraum nach oben verschaffen.

Wir kennen daher gerade keine harten ökonomischen Grenzen.

Und es gibt gute Gründe für Hoffnung.

Schutzmaßnahmen, um Zivilisationsbrüche zu überstehen

Wenn eine große Veränderung ansteht ist es normal, dass Faschisten und Weltuntergangskulte auftauchen.

Das sind nie die, die positive Veränderung bringen.

Ich persönlich habe entschieden, dass ich meine Mittel nutzen will, um die Welt um mich zu ändern, und seit 2013 arbeite ich daran mit, einen Ort aufzubauen, an dem Leute sich auch dann noch für eine bessere Zukunft organisieren können, wenn die Gesellschaft temporär in Faschismus oder (andere?) Weltuntergangskulte abrutscht.

Mein Ergebnis ist bisher: es gibt nur nicht aufzufallen und im Verborgenen eine Gegenbewegung aufzubauen.

Deswegen müssen wir vorher Strukturen aufbauen, die während eines Zivilisationsbruches tragen. Ein Sicherheitsnetz zur Koordination, um den Kampf zurück zu einer positiven Gesellschaft organisieren zu können, falls das nötig wird.

Und wenn wir sie nicht brauchen sollten (was ich hoffe), haben wir auch im digitalen Raum vertrauliche, soziale Strukturen aufgebaut, über die wir Kontakte pflegen können, ohne uns dem Zugriff durch kommerzielle Seelenfänger auszusetzen — die selbst eine Gefahr für eine nachhaltige Zivilisation sind.

Das ist Teil meines Weges.

Was ist Teil Deines Weges?

Fußnoten:

1

„Nachhaltigkeit … bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. … Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig …“ — BMZ

2

Wohlstands-Indikatoren gibt es weit bessere als das Bruttoinlandsprodukt. Weltweit arbeiten Viele daran, sie zu entwickeln und zu verbreiten. — dlf: Wohlstands-Indikatoren

ArneBab 2021-06-12 Sa 00:00 - Impressum - GPLv3 or later (code), cc by-sa (rest)