→ In Wer am Lautesten schreit, kriegt Recht im Filterblog schreibt Jan, dass die Polizei die Aufgabe hat, den Willen der Regierung durchzusetzen, zur Not auch gegen die Mehrheit der Bürger. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass in einer Demokratie die Legitimation politischen Handelns nur von den Bürgern kommt.
Die Polizeigewalt war in Stuttgart 21 nicht das letzte Mittel, sondern sie wurde genutzt, statt erneut demokratisch/politisch zu prüfen, ob die Planungen wirklich noch legitim sind. Also ob die Mehrheit sie wirklich noch will.
Und in dem Sinn kann die Aussage
“Fehlende politische Überzeugungskraft kann nicht durch polizeiliches Handeln kompensiert werden.”
auch verstanden werden als
„Die Polizei sollte nicht vorgeschickt werden, um Meinungen durchzuprügeln, die ein Großteil der Leute nicht will.“
Am Ende ist nämlich der Staat von den Bürgern eingesetzt, um Aufgaben zu übernehmen, die ohne größere Organisationsform nicht im Sinne der Bürger zu bewältigen sind. Und damit sollte er dem Willen der Bürger entsprechen, nicht umgekehrt.
Die Polizei setzt indirekt den Willen der Bürger durch. Wenn die Politiker diesem Willen nicht mehr entsprechen (weil der Großteil der Bürger nicht will, was die Politiker machen), dann verliert die Aktion der Polizei ihre Demokratische Legitimation.
Den Willen des Staates gegen die Mehrheit durchzusetzen ist nur in Diktaturen die Aufgabe der Polizei. In einer Demokratie („Herrschaft des Volkes“ – in unserem System: „Herrschaft der Mehrheit“) eben nicht.
Daher heißt es nicht, „wer am lautesten schreit hat Recht“, sondern „wenn der Großteil der Bürger seine Meinung zu einem Vorhaben ändert, sollte die Regierung das Vorhaben erneut prüfen und es nicht mit Polizeigewalt durchprügeln“.
Und demonstrieren ist dabei ein legitimes Mittel, um die Meinung der Mehrheit zu beeinflussen.
Gut, am Ende kann herauskommen, das trotzdem die Mehrheit für das Projekt ist (und dafür, es mit Gewalt durchzusetzen – erinnere dich daran, dass auch die notwendigen Mittel Teil der Entscheidung sind!), und dann muss die Polizei auch Gewalt anwenden. Aber ich sehe in unserer Bevölkerung keine Mehrheit dafür, für Stuttgart 21 Rentner und Kinder von der Polizei verprügeln zu lassen.1
Was auch legitim ist, denn wann wurde beschlossen, dass man seine Meinung nicht ändern darf, wenn der für eine bestimmte Handlung zu zahlende Preis sich als viel höher herausstellt als man dachte (dass man Kinder verprügeln muss ist ein höherer Preis, als dass man nur ein paar Milliarden Euro verschleudern muss)?
Und wenn es für das Durchprügeln keine Mehrheit gibt, es aber notwendig wäre, dann sollte das Projekt abgeblasen werden.
Die notwendigen Mittel müssen Teil der Entscheidung sein.
Im Gegensatz übrigens zur Bekämpfung von schweren Verbrechen. Natürlich ist die Mehrheit dafür, dass die Polizei Gewalt gegen einen Mörder anwenden darf (und soll!), um ihn aufzuhalten. Aber es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen Gewaltanwendung der Polizei gegen Mörder und Gewaltanwendung der Polizei gegen friedlich demonstrierende Bürger. ↩
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Du solltest mal 1984 lesen.
Du solltest mal 1984 lesen. Es geht leider oft nicht nur darum, wie viel jemand selbst hat, sondern darum, wieviel mehr er hat als andere.
Ähnlich wie bei Rasern auf der Autobahn.
Oder Banken, die Milliarden verzocken, weil sie noch 0.2% mehr Rendite rausholen wollen, statt einfach gut zu arbeiten.
Warum gab es jemals einen Feudalismus? Er ist als Wirtschaftssystem denkbar ineffizient, weil ein Großteil der kreativen Resourcen der Bevölkerung ungenutzt bleibt. Aber er gibt wenigen eine sehr große Kontrollmacht.
Ich sehe in unserem Land immer mehr Bewegungen dahin, die Bevölkerung inaktiv zu halten, das geht vom Schlechtreden von Demonstranten (wir haben das Grundrecht zu demonstrieren, kein Polizist hat in eine friedliche Demonstration oder Blockade reinzuprügeln), über die ständige Gängelung und Denunziation von Hartz 4 Empfängern (als faul, während 90% von ihnen arbeiten wollen) bis hin zu Vorratsdatenspeicherung („pass auf, was du sagst. Wir könnten das irgendwann gegen dich verwenden, also sag es lieber gar nicht erst“) und dem Aufbau einer Zensurinfrastruktur („wenn uns eine Aussage nicht gefällt, lassen wir sie einfach verschwinden“).
Wir sind Staat
@Bleicke: Der Staat basiert darauf, dass gemeinsam entschieden wird, was der Grundkonsens ist, nach dem wir leben wollen. Und dieser Staat arbeitet in deinem Auftrag. Zumindest zu einem hundert-millionstel.
Um es mit Volker Pispers zu sagen: „Wenn sie immerzu gegen diesen Staat wettern, dann schauen sie mal morgens in den Spiegel! Wir sind nicht Deutschland, wir sind Staat.“
Wir geben diesem Staat das Monopol auf Gewaltausübung (und damit auch Nötigung), weil wir nicht wollen, dass irgendjemand Gewalt gegen uns anwendet und daher auf das Recht verzichten, Gewalt gegen andere zu richten.
Eine friedliche Blockade ist allerdings keine Gewaltausübung.
Demonstrationen und öffentliches Eigentum
@Jan: Demonstrationen dienen nicht dazu, das Recht des Stärkeren durchzusetzen (der Stärkere wäre nämlich der, der die Bagger hat), sondern dazu aufzuzeigen, dass was aktuell Recht ist nicht legitim ist. Allgemein zeigen Demonstrationen Missstände auf, und eine Blockade ist ein Weg, klarzustellen, dass einem die Sache so ernst ist, dass man dafür auch in Kauf nimmt, von der Polizei mit angemessenen Mitteln geräumt zu werden.
> Blockade (=Nötigung;
„Diese Definition wurde durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Jahr 1995 (AZ 1 BvR 718/89) gekippt.“
→ Sitzblockade#Juristische_Bewertung.
Und nur im Weg stehenbleiben ist definitiv keine Nötigung, sondern höchstens eine Ordnungwidrigkeit.
Und das Recht auf Eigentum ist ein elementares Grundrecht, das seine Schranke darin findet, dass das Eigentum dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Nimm einfach ein krasses Beispiel: Alle Straßen gehören einem Privatmenschen, und der entscheidet, dass nur noch Afroamerikaner auf diesen Straßen laufen dürfen. Würdest du dich an dessen Recht auf Privateigentum halten und zu Hause bleiben (da ja deine Wohnung vollständig von den Privatstraßen eingeschlossen ist)?
Artikel 14, GG:
„(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt.“
→ Grundgesetz I. Die Grundrechte
@Bleicke: Bist du sicher, dass du mit der Meinung „Das Konzept der Demokratie und des öffentlichen Raumes ist einfach hirnrissig“ noch auf dem Boden der Grundgesetzes Argumentierst? Einen Linken, der sich so eine Aussage erlauben würde, hätte spätestens jetzt der Verfassungsschutz unter Beobachtung.
Aber da du Argumente willst: Gehen wir doch einfach davon aus, dass Eigentum gleich verteilt ist. Mir gehört mein Haus und die Straße davor. Dir gehört dein Haus und die Straße davor. Blöderweise wohnen wir in einer Sackgasse, und mein Haus ist vor deinem. Ich mag dich nicht, also verbiete ich dir, über meine Straße zu fahren. Respektierst du mein Eigentum?
Wenn du das ohne Schlupflöcher willst: Nimm an, dass alle Nachbarn um dich rum dich nicht mögen und es keine Lücke gibt.
Öffentliches Eigentum sagt dagegen: Die Straße gehört uns allen, und wir haben entschieden, dass der Staat sie in unserem Namen verwalten darf. Wenn er dabei etwas tut, dem wir nicht zustimmen, sagen wir es ihm, und hört er nicht auf uns, gehen wir demonstrieren, um die anderen Bürger zu überzeugen, dass der Staat Mist baut.
Jemand, der genug Geld oder Macht hat, um die Medien zu kontrollieren, kann seine Meinung über sein Geld verbreiten. Wer nicht so viel Geld hat, kann über Demonstrationen Öffentlichkeit erreichen.
Demokratie sagt „wir haben nicht unendlich viele Resourcen. Also müssen wir sie irgendwie verteilen. Statt das Recht des Stärkeren zu haben (oder das Recht dessen, der den Stärkeren bezahlt), setzen wir auf Abstimmungen und geben jedem Bürger genau eine Stimme. Damit nicht jeder über jede Kleinigkeit abstimmen muss, bestimmen wir Repräsentanten“.
Zur Meinung zu Stuttgart 21
Stuttgart 10.12.2009: 47% dagegen, 29% dafür. http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2310298_0_9223_-umfragen-zu-s...
Stuttgart 08.09.2010: 54% dagegen, 35% dafür: http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2621061_0_4370_-aktuelle-umfr...
Bundesweit 09.10.2010: 33% dafür, mehr dagegen: http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2663455_0_2147_-stuttgart-21-...
Das Bild ist sehr klar: In jedem Fall wird Stuttgart 21 gegen die Mehrheit der Betroffenen durchgeprügelt, und sind auch mehr nicht Betroffene gegen Stuttgart 21 als dafür.
Das sind übrigens die Ergebnisse von grade mal 10 Minuten Internetrecherche. Die Info kann sich jeder selbst holen und es kann sie auch jeder selbst prüfen.
Die Randale kamen von der Polizei
@Jan: Die Randale kamen von der Polizei. Die Demonstranten waren friedlich ⇒ fällt weg.
Dass Stuttgart 21 15 Jahre Planung erforderte und am Ende viel teurer wird als geplant zeigt, dass die Planungen offensichtlich nichts wert waren. Klar wurden Intereressen berücksichtigt, aber scheinbar nicht die der Bürger. Leider sind auch Politiker nicht vor indirekter oder direkter Korruption gefeiht.
Und die Stärkung des Privateigentums hilft immer denen am Meisten, die viel Eigentum haben. Beispiel Stuttgart 21: Da wird öffentlicher Raum (der allen gehört) in Privateigentum überführt (das von wenigen kontrolliert wird). Dass die Bahn 100% dem Bund gehört ändert leider nichts daran, dass ihr Flächen nicht als öffentlicher Raum gelten und damit der Großteil der Bürger (alle, denen er nicht gehört) weniger Rechte hat.
Das Recht, über sein Privateigentum zu verfügen, endet bei dem Recht der Allgemeinheit. Siehe Grundgesetz: Eigentum verpflichtet. Und das finde ich gut so.
Ich hoffe, dass mehr und mehr Leute realisieren, dass die FDP mit der Privateigentumsrethorik nur für die wenigen spricht, die richtig viel davon haben, und dass ein „Abbau des Staates“ bedeutet, dass das abgebaut wird, was uns allen gehört, egal wie viel Geld wir haben.