Realitätsverzerrung: „Illegale Downloads“ als Problem nennen

→ zu Musiker sind im Netz arm dran in dradio Wissen.

Ich fand ihren Beitrag sehr interessant zu hören, bin dann aber leider über einen gravierenden Schönheitsfehler gestolpert:

Sie haben gezeigt, wie online Geld sammeln funktioniert, und dass viele Künstler wenig darüber wissen, wieviel sie eigentlich online verdienen. Dann erzählen lassen, dass das Leben ohne Label schnell profitabler sein kann, wenn man seine CDs selbst verkauft.

Und dann kam plötzlich der völlig unbelegte (und faktisch falsche) Satz „das Hauptproblem sind aber die illegalen Downloads“.

Faktisch falsch, weil inzwischen viele unabhängige Studien belegt haben, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen illegalen Downloads und schwindenden Umsätzen gibt (die übrigens selbst unbelegt sind). Abgesehen davon, dass es logisch ist, dass jemand Umsatz verliert, der routinemäßig seine eigenen Kunden verklagt, bedroht und beschimpft („Musikpiraten“ sind auch die stärksten Musikkäufer), wurde in der neusten Studie, die ich gelesen habe, deutlich gezeigt, dass der von Ihnen im Bericht sogar erwähnte Effekt, dass im Netz mehr Singles gekauft werden, die weniger bringen als ganze CDs, für die Umsatzrückgänge verantwortlich ist. Die Methode war der Vergleich USA (sehr viele Singles) und Deutschland (immernoch hauptsächlich CDs verkauft).

Wer sagt, die Downloads seien das Problem, setzt fälschlicherweise „gratis herunterladen“ mit „nicht kaufen, was man sonst gekauft hätte“ gleich. Und das ist einfach Unsinn. Ich kenne keine einzige Person, die weniger Musik kauft, seit sie Tauschbörsen nutzt. Im Gegenteil kaufen die meisten mehr, aber eher von Nischenkünstlern. Teils weil der Musikgeschmack durch sehr viel mehr Musikerfahrung spezifischer wurde. Teils aber auch, weil es viele so wie ich nicht einsehen, von einer Firma zu kaufen, die sagt, wir wären ein Problem, obwohl wir ihr Geld geben.

Statt aber an ihrem Geschäftsmodell zu arbeiten, greifen die Plattenfirmen weiterhin ihre eigenen Kunden an.

Dagegen halte ich: „Gebt uns einen einfachen Weg, dem Künstler ein paar Euro zu geben und dafür was in erster Linie symbolisches Extra zu kriegen, und ihr werdet deutlich besser Geld verdienen. Solange ihr nicht behauptet, 60% eurer Kunden währen Verbrecher.“

Ich würde mir für den nächsten Beitrag wünschen, dass sie die Aussagen derer, die ein starkes finanzielles Interesse daran haben, die Vertriebskanäle von Künstlern zu kontrollieren, besser gegenprüfen statt sie einfach zu übernehmen. Allgemein: Wenn jemand sehr stark davon profitiert, wenn eine behauptete „Tatsache“ geglaubt wird, sollte die „Tatsache“ lieber doppelt geprüft werden.

Was illegale Downloads nämlich bringen ist, dass Künstler immer unabhängiger von Plattenfirmen Verbreitung erlangen können. Um hier mal die Wise Guys bei einem Konzert aus dem Gedächtnis zu zitieren:

„Und wie viele sind hergekommen, weil sie von einem Freund eine Platte gebrannt bekommen haben? Also: Bitte empfehlt uns weiter!“

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