Ist das Internet kaputt? Ist die Politik kaputt? Strukturelle Probleme unserer Demokratie

Sascha Lobo, von der FAZ als Sprachrohr der Netzgemeinde bezeichnet (wer hat den gewählt?), beklagte sich letztes Wochenende in einem ganzseitigen Beitrag im Feuilleton der FAZ darüber dass das Internet kaputt sei - und gar nicht das, für das er es gehalten habe.

Thomas Stadler hält heute in seinem Blog Internet-Law dagegen, dass die Geheimdienste und unsere Politik kaputt sind.

Doch beide greifen zu kurz - sowohl Sascha Lobo mit seiner Verletzung durch das Internet, als auch Thomas Stadler mit seiner Kritik an der Netzpolitik der Regierenden.

Unsere Demokratie ist beschädigt, aber die Ursachen sind nicht in unseren Gesetzen zum Internet zu suchen.1 Vielmehr kann eine Demokratie nicht aufrechterhalten werden, wenn die Vermögens- und Einkommens-Ungleichheit zwischen Menschen so groß ist wie hierzulande (und noch vielmehr in den USA)2, auch wenn die Internetgesetze dazu beitragen, diese Ungleichheit noch weiter zu verschärfen.

Natürlich spionieren die Geheimdienste, aber eben nicht im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung (wie es in einer Demokratie sein sollte), sondern im Interesse derjenigen, die das Geld für Lobbyarbeit haben. Und das gleiche gilt auch für Politiker.

Wer herrscht hier eigentlich?

Spätestens seit die Bild Wulff aus dem Präsidentenamt gekickt hat, sollte allen Politikern klar sein, dass man keine Politik gegen diejenigen machen kann, die die Medien hierzulande finanzieren: Diejenigen, die den Großteil der Werbung schalten lassen. Und seit die von der Mohn-Familie3 kontrollierte Bertelsmann Stiftung indirekt eine Sperrminorität am Spiegel hält4, sind auch die meisten Akademiker mit den Vermögenden gleichgeschaltet.

Das heißt, in einem Wirtschafts-System, das eine immer weiter steigende Vermögensungleichheit produziert5, kann sich auf Dauer keine Demokratie halten.

Das zu erkennen und aktiv gegen diese Ungleichheit vorzugehen wäre eine Grundbedingung für alle demokratisch gewählten Politiker, die ihr Mandat wirklich ernst nehmen - ganz abgesehen davon, dass eine gleichmäßige Verteilung des Einkommens auch der beste Garant für langfristiges Wachstum der Wirtschaftsleistung ist.6

Dass sie das nicht tun, zeigt uns, wie effektiv Lobbyismus darin ist, Politiker zu korrumpieren.

Zum Glück gibt es mit Abgeordnetenwatch eine Gruppierung, die dem entgegensteuert, aber solange wir die Gesellschaftlichen Machtverhältnisse nicht ändern, wird das nur eine unzureichende Symptombehandlung sein (auch wenn sie notwendig sein könnte, um die Machtverhältnisse ändern zu können).

Demokratie erhalten

Um langfristig etwas gegen Überwachung und den Missbrauch von Staatsgewalt gegen die eigenen Bürger zu Unternehmen, dürfen wir daher nicht bei einer Neustrukturierung des Internet stehen bleiben,7 und wir dürfen uns auch nicht auf neue Gesetze beschränken. Vielmehr müssen wir bei jeder dieser Maßnahmen darauf achten, auch die Vermögens- und Einkommensungleichheit zu reduzieren. Wir müssen reale Machtkonzentration minimieren. Nur so können die Ergebnisse unserer Kämpfe bestand haben.


Auch relevant:


  1. Natürlich ist die Rechtsprechung zum Internet Mist. Jegliche Gesetze, die 30% der Bevölkerung zu Schwerkriminellen machen, obwohl deren Handlungen erwiesenermaßen niemandem schaden, haben schon längst den Bereich der Legitimität verlassen. Aber die Gesetze sind nicht die Ursache der Probleme, und nur die Gesetze zu ändern, wird die Probleme nicht lösen, sondern höchstens etwas verschieben. 

  2. Zu große Vermögensungleichheit zerstört jede Demokratie: Wer die Informationskanäle der Menschen kontrolliert, kontrolliert auch ihre Wahlentscheidung. 

  3. Die Mohns (Leiter der Bertelsmann Stiftung) sind laut Wikipedia die 6. reichsten Deutschen: „Das Familienvermögen der Mohns wird auf 5,7 Mrd. € geschätzt, damit liegen die Bertelsmann-Eigentümer auf dem 6. Platz in der Forbes-Liste der reichsten Deutschen (2008)“ 

  4. Der Spiegel gehört seit 2002 zu 25.5% einer Tochter der Bertelsmann AG (Hauptaktionär der RTL Group), die wiederum zu 77.6% der Stiftung Bertelsmann gehört, denen wir es zu verdanken haben, dass per Grundgesetz „unabhängige“ Hochschulen ihren Lehrplan von Privatfirmen absegnen lassen müssen. Aus der Wikipedia: „Augstein verfügte in seinem Testament Ende 2002, dass seine Erben ein Prozent ihres Anteils an die beiden übrigen Gesellschafter verkaufen müssten, damit verloren sie ihre Sperrminorität von 25 Prozent. 50,5 Prozent der Anteile an der Verlags-Holding Rudolf Augstein GmbH sind nun im Besitz der Kommanditgesellschaft der Mitarbeiter. Über die restlichen 25,5 Prozent verfügt der Hamburger Medienkonzern Gruner und Jahr, eine Tochter der Bertelsmann AG“. Die Piraten forderten schon 2012, dass der Stiftung Bertelsmann die Gemeinnützigkeit aberkannt wird, die Neue Reinische Zeitung klärte die rechtliche Situation und die Nachdenkseiten haben dem Einfluss der Bertelsmannstiftung einen ausführlichen Artikel gewidmet

  5. Die erste Million ist die schwerste: Der strukturelle Fehler unseres Wirtschaftssystems: Unser aktuelles Wirtschaftssystem produziert selbst bei gleicher Leistung Ungleichheit. 

  6. Equality and Efficiency (IWF): Der stärkste Indikator für langfristiges Wachstum der Wirtschaft ist die gleichmäßige Verteilung des Einkommens. 

  7. Auch wenn der Kampf für den Lesenden finanzierte Medien und gegen Werbefinanzierung ein wichtiger Schritt auf dem Weg ist, denn wer von Werbung finanziert ist, schreibt nicht für die Lesenden, sondern verkauft die Lesenden an die Werbetreiber. Auch eine werbefinanzierte Zeitung betreibt people-farming (aber Online-Plattformen treiben das zu noch größeren Extremen). 

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